Es war einmal eine Zeit, da kam die Post noch einmal pro Tag. Meistens so am Vormittag. In unserem kleinen Dorf nahm der Nachbar das Päckchen an und der Postbote wohnte im ersten Stock über der Poststation. Es gab einen Schalter und an der Wand hingen diese Fahndungsplakate der Rote Armee Fraktion. Da ich als Kind nicht wusste, was die für einen Grund hatten so grimmig zu gucken, betrat ich die Post immer mit einem diffusen Unbehagen. Nun ist die RAF genauso verschwunden wie die Post. Um mal ironisch zu werden: ich weiß nicht, ob der tote linke Terrorismus mich froh machen soll. Es gibt Tage-heute ist ein solcher Tag, da beunruhigt mich das Gefühl, in einer sogenannten Dienstleistungsgesellschaft zu leben mehr als die RAF. (Und das ist jetzt keine Verharmlosung des Terrorismus. Aber das ist nicht das Thema hier.)
Wissen die Zusteller, was sie tun?
Päckchen werden ja heutzutage ganz modern von DHL "zugestellt". Durch vermutlich unterbezahlte, des Lesens und Schreibens nicht mächtige "Zusteller". Das Unheil nimmt seinen Lauf, wenn der Zusteller/die Zustellerin die PLZ auf einen Umschlag selbst schreiben muss, weil ich nicht zuhause bin. Meine PLZ endet auf -5. Doch der DHL-Zusteller krackelt mit stoischer Hartnäckigkeit die falsche PLZ auf das Kärtchen: Er/sie pinselt -9 statt -5. Dadurch braucht die Mitteilung an mich gut vier Tage bis sie mich erreicht. Wie wir alle wissen, liegt ein Päckchen aber nicht unendlich lange am Schalter. und überhaupt: Wenn der Zusteller selbst nicht einmal weiß, in welchem Zustellbezirk er/sie sich befindet-grusel!
Also-hin zur Post: wo früher ein Schalter sein jämmerliches Dasein fristete, da begrüßen uns heute fröhlich und strahlend dreihundertvierundzwanzigtausendachthundertsiebenundzwanzig Schalter nebeneinander. Geöffnet sind: zweieinhalb, die restlichen unbesetzt, Schlange bis zur Eingangstür. Wo sind die übrigen Postjobber? Es gibt ja nur noch Jobs, keine Berufstätigkeit, ergo keine Berufstätigen. Aber zurück zum Thema.
Kleine Bulette auf großem Teller ist unbefriedigend: oder im Postjargon-viele Schalter, alle zu. Sehr unbefriedigend.
Kennen die bei der Post nicht den Effekt, den eine einzelne Bulette auf einem großen oder auf einem kleinen Teller hinterlässt? Die Bulette auf einem viel zu großen Teller ist natürlich unbefriedigend. Genauso wirken die vielen, aber unbesetzten Schalter: sie senden die Botschaft-wir könnten, wenn wir nur wollten. Wir wollen aber nicht. Und du Kunde, du hockst ohnmächtig in der Schlange. Denn du bist das Volk, mit dem wir kein Geld verdienen. Aber in der letzten Lobbyrunde konnten wir uns bei Frau Angela nicht durchsetzen mit der Forderung, den Preis für Briefmarken um das 100millionenfache zu erhöhen, eine Postfiliale nur noch in der jeweiligen Landeshauptstadt zu öffnen, für deren Betreten die Kunden Eintritt zu zahlen hätten.
So reiht sich denn das Volk in die Schlange und berichtet dem Postjobber im hellblauen Servicehemd vom PLZ-Mißgeschick. Der ist dafür leider nicht zuständig, verweist aber auf den Telefonhörer im Vorraum. Der sei dafür extra Vorgesehen- eine -ganz persönliche Hotline. Am anderen Ende der Leitung verspricht die unbekannte Stimme aus dem Off sofort einen Vermerk aufzunehmen. Sie muss nur PLZ -9 im PC löschen und richtigerweise -5 eintippen. Dann braucht der Zusteller nur abzuschreiben, nicht mal mehr selbst denken. Das war vor einem dreiviertel Jahr. Seitdem war ich immer Zuhause, wenn ein Päckchen kam. Erst gestern war es mal wieder Zeit für eine Zustellkarte: die PLZ endete mit -9. Follow me on bloglovin!
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